Ein unverstellter Blick auf psychische Erkrankungen
Gemeinsam mit ihrem Sohn Marton besuchte Gisela Dregelyi vom Verband „Angehörige psychisch erkrankter Menschen“ Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich in der Bezirkshauptverwaltung. Ziel des Selbsthilfevereins ist es, das Thema psychische Erkrankung durch gezielte Aufklärung zu entstigmatisieren und betroffenen Menschen vielgestaltige Hilfen auf dem Weg in die Genesung zu bieten. Dazu wurde bereits vor gut zwei Jahren eine Vereinbarung zwischen dem Bezirk Niederbayern und dem Landesverband Bayern der Angehörigen Psychisch Kranker e. V. getroffen: Unter anderem soll Vorurteilen in der Gesellschaft durch gezielte Information entgegengewirkt werden. Viele Menschen wüssten zu wenig beispielsweise über Psychosen und Depressionen beziehungsweise über den Umgang mit Betroffenen, so Gisela Dregelyi. Aber es gäbe erste Erfolge bei der Aufklärung über psychische Erkrankungen und bei der Vermittlung von Hilfsangeboten, die unter anderem vom Bezirkskrankenhaus Landshut weitergegeben werden.
Mit einer Seminarreihe unter der Projektbezeichnung „Angehörige informieren Angehörige“ wolle der Verein den Erfahrungsaustausch fördern und so zu einem besseren Verständnis für erkrankte Menschen in der Gesellschaft beitragen. Zunächst plane man die Seminare pandemiebedingt als virtuelle Veranstaltungen. Die Hoffnung sei jedoch groß, die Kurse bald in Präsenz durchzuführen, so Dregelyi. Der Verein bemühe sich besonders darum, junge Menschen zu erreichen, um die Stigmatisierung psychischer Erkrankungen weiter aufzubrechen. Zudem seien junge Menschen durch Corona häufiger selbst betroffen. Zu diesem Zweck wende sich der Verband an Schulen und biete Vorträge und Gesprächsrunden an. Ein gutes Beispiel sei das Gymnasium in Zwiesel. Gisela und Marton Dregelyi sprachen mit einer Abschlussklasse über Krankheitsbilder, beantworteten Fragen und stießen dabei auf reges Interesse der Schülerinnen und Schüler.
„In den vergangenen Jahren ist einiges in Bewegung geraten – sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung als auch bei den Hilfsangeboten“, so Dr. Heinrich. Insbesondere die Dezentralisierung der Psychiatrie in Niederbayern läge ihm am Herzen, schon alleine, um den Menschen weite Anfahrtswege zu ersparen. „Zusätzlich zu den stationären Angeboten und den psychiatrischen Ambulanzen für Erwachsene in Grafenau und Pfarrkirchen gibt es mittlerweile zwei Ambulanzen für Kinder und Jugendliche in Zwiesel und Waldkirchen. Als Hilfe für Menschen in akuten seelischen Krisen haben wir den ‚Krisendienst Psychiatrie Niederbayern‘ vor gut einem Jahr gestartet – mit sehr guter Resonanz aus der Bevölkerung.“ Neben der telefonischen Beratung über die Leitstelle am Bezirkskrankenhaus Landshut werde derzeit der Aufbau eines mobilen Dienstes auf den Weg geschickt, also Teams, die Menschen in akuter seelischer Not zuhause aufsuchen. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, allerdings stellt der Fachkräftemangel uns dabei vor Herausforderungen,“ so Heinrich weiter.
Der Krisendienst sei durch seine Erreichbarkeit rund um die Uhr eine sehr wertvolle Hilfe für Menschen in psychischer Not, so Gisela Dregelyi. Neben den professionellen Beratungen und Behandlungen durch den Bezirk seien aber auch Hilfen im Anschluss nötig. Hier könne der Verband „Angehörige psychisch erkrankter Menschen“ wertvolle Unterstützung leisten. Gerade Menschen, die bereits eine psychische Erkrankung durchgemacht hätten, seien sozusagen Experten auf dem jeweiligen Gebiet und könnten andere Menschen bei ihrer Genesung unterstützen und begleiten.
Psychiatrieerfahrene könnten sich über den Verein EX-IN (Experten durch Erfahrung in der Psychiatrie e. V.) als Begleiter qualifizieren und die Genesung gemeinsam mit den professionellen Hilfen individuell und empathisch unterstützen. Dazu erzählte Marton Dregelyi, er habe ebenfalls eine Erkrankung durchlebt und sich bereits als qualifizierter Begleiter weitergebildet. Als Betroffener könne er sich sehr gut in die Lage eines psychisch erkrankten Menschen versetzen. Besonders hilfreich sei, dass sich viele Menschen einer anderen Person mit ähnlicher Erfahrung ohne Berührungsängste anvertrauen würden. Durch seinen offenen Umgang mit seiner psychischen Erkrankung könne er außerdem der Tabuisierung des Themas in der Öffentlichkeit entgegenwirken, so Dregelyi weiter. Der Bezirk Niederbayern unterstützt diese Arbeit, dennoch gäbe es in Niederbayern noch zu wenige Genesungsbegleiter, die von den Wohlfahrtsverbänden beschäftigt werden.
„Sie können sich der weiteren Unterstützung des Bezirks Niederbayern für Ihre wichtige Arbeit sicher sein,“ sagte der Bezirkstagspräsident. „Aber wir setzen darauf, dass Sie sich noch viele Jahre weiter engagieren. Denn es ist ein Segen, dass es Menschen gibt, die sich so einsetzen!“
11.04.2022
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